6 Struktur endlich erzeugter abelscher Gruppen
Felix Klein (1849-1925) war ein deutscher Mathematiker. Seine Forschungen lieferten grundlegende Beiträge zur Geometrie, Gruppentheorie, Funktionentheorie und Anwendugen der Mathematik.
6.1 Endlich erzeugte abelsche Gruppen
Denken Sie daran, dass eine Gruppe \(G\) endlich erzeugt gennant wird, wenn es ein endlich Erzeugendensystem \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) gibt, sodass \(\left< g_1,\ \ldots\ , g_k \right>_G = G\).
Im abelschen Fall bedeutet das, dass jedes Element \(g : G\) als lineare Kombination der \((g_i)_{1 \leqslant i \leqslant k}\) geschrieben werden kann:
\[ g = \lambda_1 \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_k \cdot g_k,\ \text{mit}\ \lambda_i : \mathbb{Z}\ .\]
Zum Beispiel ist jede Gruppe \(\mathbb{Z}^r\) endlich erzeugt.
Jede endliche Gruppe ist endlich erzeugt (nehmen Sie für ein Erzeugendensystem die ganze zugrundeliegende Menge von \(G\)).
Wenn \(G_1\) und \(G_2\) endlich erzeugt sind, so ist das Produkt \(G_1 \times G_2\). Zum Beispiel ist \(\mathbb{Z} \times \mathbb{Z}/2\mathbb{Z}\) endlich erzeugt.
6.2 Klassifikationssatz für endlich erzeugte abelsche Gruppen
In gewisser Weise kennen wir bereits alle endlich erzeugten abelschen Gruppen.
Satz. Sei \(G\) eine endlich erzeugte abelsche Gruppe. Dann gibt es eindeutige natürliche Zahlen \(n : \mathbb{N}_{\geqslant 0}\) und \(s : \mathbb{N}_{\geqslant 0}\) und eine eindeutige Folge natürlichen Zahlen \((d_1,\ \ldots\ , d_s) : \mathbb{N}_{> 0}^{\ s}\) , so dass die folgende Eigenschaften gelten:
\(\forall\ j \in \{1,\ \ldots\ s-1\},\ d_{j + 1}\ |\ d_j\) .
Es gibt einen Gruppenisomorphismus
\[ G \simeq \mathbb{Z}^r \times \big(\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z} \big) \times \ \ldots\ \times \big(\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z} \big)\ .\]
Beachten Sie, dass der Teil \((\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z}) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z})\) eine endliche abelsche Gruppe ist.
Dieser Satz hat viele Anwendungen, zum Beispiel in der algebraischen Topologie (Homologietheorie von Mannigfaltigkeiten usw).
6.3 Torsionsuntergruppe
Wir werden den Beweis des vorherigen Satzes in mehrere Schritte unterteilen.
Die erste Frage ist: Wenn \(G := \mathbb{Z}^r \times (\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z}) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z})\), wie kann man die endliche Gruppe \((\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z}) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z})\) als Untergruppe von \(G\) charakterisieren?
Definition. Sei \(G\) eine abelsche Gruppe. Ein Element von \(G\) mit endlicher Ordnung wird als Torsionselement bezeichnet.
\[\text{Tor}(G) := \{ g : G\ |\ \exists\ n : \mathbb{N}_{>0},\ n\cdot g = 0_G \}\ .\]
Da \(G\) abelsch ist, ist die Teilmenge \(\text{Tor}(G)\) eine Untergruppe von \(G\). Beweis. \(0_G \in \text{Tor}(G)\) und, wenn \(g_1, g_2 \in \text{Tor}(G)\), dann gibt es \(n_1 \cdot g_1 = 0_G\) und \(n_2 \cdot g_2 = 0_G\) für einigen \(n_1, n_2\), somit auch \(n \cdot (g_1 + g_2) = 0_G\) für \(n := \max(n_1, n_2)\). Schließlich gilt auch \(n_1 \cdot (-g_1) = -(n_1 \cdot g_1) = - 0_G = 0_G\). Das heißt, \(-g_1\) ist auch Torsion.
6.4 Beispiel für Torsionsuntergruppen
- Wenn \(G\) eine endliche Gruppe ist, ist \(\text{Tor}(G) = G\). Die Faktorgruppe \(\mathbb{Q}/\mathbb{Z}\) (die isomorph zu die Gruppe der Einheitswurzeln \(\mu := \{z : \mathbb{C}\ |\ \exists\ n : \mathbb{N}_{> 0},\ z^n = 1\}\) ist) ist ein Beispiel für eine unendliche abelsche Gruppe \(G\) mit \(\text{Tor}(G) = G\).
- Die Torsionsuntergruppe von \(G := \mathbb{Z}^r \times (\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z}) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z})\) ist genau die Untergruppe \(T := (\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z}) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z})\). Beweis. Sei \(g = (x_1,\ \ldots\ , x_r, h_1,\ \ldots\ , h_s)\) ein Element von \(G\) und sei \(n\) eine natürliche Zahl mit \(n \geqslant d_j\) für alles \(j\). Dann gilt \(n \cdot g = (n x_1,\ \ldots\ , n x_s, 0,\ \ldots\ , 0)\). Insbesondere, wenn \(\forall\ j \in \{1,\ \ldots\ , r\}, x_i = 0_{\mathbb{Z}}\) gilt, dann ist \(n \cdot g = 0_G\). Das heißt, \(T \subset \text{Tor}(G)\) . Umgekehrt, wenn \(n \cdot g = 0_G\) für einige \(n > 0\), dann gibt es, für alles \(i \in \{1,\ \ldots\ , r\}\), \(n \cdot x_i = 0_{\mathbb{Z}}\). Da \(n \not= 0_{\mathbb{Z}}\), impliziert das, dass \(x_i = 0_{\mathbb{Z}}\) . Das heißt, \(\text{Tor}(G) \subset T\).
6.5 Quotient durch die Torsionsuntergruppe
Im Beispiel \(G := \mathbb{Z}^r \times (\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z}) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z})\) gilt \(G / \text{Tor}(G) \simeq \mathbb{Z}^r\) und \(\mathbb{Z}^r\) ist torsionsfrei / ohne Torsion (das heißt, \(\text{Tor}(\mathbb{Z}^r) = \{0_{\mathbb{Z}^r}\}\)).
Dies ist eine allgemeine Tatsache.
Satz. Sei \(G\) eine abelsche Gruppe. Die Faktorgruppe \(G/\text{Tor}(G)\) hat keine Torsion:
\[\text{Tor} \big( G / \text{Tor}(G) \big) = \{ 0_G \}\ .\]
Beweis. Sei \([g]\) ein Element von \(G / \text{Tor}(G)\) (das heißt, \([g] := g + \text{Tor}(G)\) ist die Nebenklasse, modulo die Untergruppe \(\text{Tor}(G)\), des Elements \(g\) von \(G\)) und nehmen wir an, dass es ein \(n : \mathbb{N}_{> 0}\) gibt, mit \(n \cdot [g] = 0_{G / \text{Tor}(G)}\). Dann gilt \([n \cdot g] = 0_{G / \text{Tor}(G)}\). Das heißt, \(n \cdot g \in \text{Tor}(G)\). Existiert dann \(k : \mathbb{N}_{> 0}\), so dass \(k \cdot (n \cdot g) = 0_G\). Das heißt, \((kn) \cdot g = 0_G\), mit \(kn : \mathbb{N}_{>0}\). Somit \(g \in \text{Tor}(G)\) und \([g] = 0_{G / \text{Tor}(G)}\). Dies genügt, um \(\text{Tor}(G / \text{Tor}(G)) = \{ 0_G \}\) zu beweisen.
6.6 Übung 1
Seien \(G\) und \(H\) abelsche Gruppen.
Zeigen Sie die folgende universelle Eigenschaft:
\[ \forall\ \varphi : \text{Hom}_{\text{Gpp}}(G, H),\ \exists!\ \overline{\varphi} : \text{Hom}_{\text{Gpp}} \big( G / \text{Tor}( G ), H / \text{Tor}( H ) \big),\ \pi_{H / \text{Tor}(H)} \circ \varphi = \overline{\varphi} \circ \pi_{G / \text{Tor}(G)}\ .\]
Inbesondere, wenn \(H\) torsionsfrei ist, gibt es eine eindeutige Faktorisation \(\overline{\varphi} : G / \text{Tor}(G) \to H\), sodass \(\varphi = \overline{\varphi} \circ \pi_{G / \text{Tor}(G)}\) .
6.7 Endlich erzeugte Torsionsgruppen
Wir haben bereits gesehen, dass eine endliche Gruppe endlich erzeugt ist, und eine Torsionsgruppe. Das Umgekehrte gilt ebenfalls.
Satz. Eine endlich erzeugte Torsionsgruppe ist endlich.
Beweis. Sei \(G\) eine abelsche Gruppe, die endlich erzeugt und eine Torsionsgruppe ist. Sei \((g_1,\ \ldots\ ,g_k)\) ein Erzeugendensystem für \(G\). Dies bedeutet, dass der folgende Gruppenhomorphismus surjektiv ist.
\[ \varphi : \mathbb{Z} \times \ldots \times \mathbb{Z} \longrightarrow G,\quad (\lambda_1,\ \ldots\ , \lambda_k) \longmapsto \lambda_1 \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_k \cdot g_k \]
Da \(G\) eine Torsionsgruppe ist, hat jedes \(g_i\) endlich Ordnung. Sei \(n_i := \text{Ord}_G(g_i)\). Dann gilt \(\text{Ker}\ \varphi = n_1 \mathbb{Z} \times\ \ldots\ \times n_k \mathbb{Z}\) und gibt es einen surjektiven Gruppenhomomorphismus von einer endlichen Gruppe nach \(G\). Insbesondere ist \(G\) eine endliche Gruppe.
\[ \overline{\varphi} : G / \text{Ker}\ \varphi \simeq (\mathbb{Z} / n_1 \mathbb{Z}) \times\ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / n_k \mathbb{Z}) \longrightarrow G\]
6.8 Freie abelsche Gruppen
Eine endlich erzeugte abelsche Gruppe ist analog zu einem endlichdimensionalen Vektorraum: das heißt, es gibt ein endliches Erzeugendensystem. Der Unterschied besteht darin, dass ein endlichdimensionaler Vektorraum unbedingt eine endliche Basis besitzt.
Definition. Sei \(G\) eine abelsche Gruppe. Eine Familie \((g_i)_{i\ :\ I}\) von Elementen aus \(G\) wird als \(\mathbb{Z}\)-Basis bezeichnet, wenn es, für alles \(g : G\), eine eindeutige Familie von ganzen Zahlen \((\lambda_i)_{i\ :\ I}\) gibt, sodass:
- Die Menge \(\{ j : I\ /\ \lambda_j \not= 0_{\mathbb{Z}}\}\) endlich ist. In diesem Fall ist \((\lambda_i)_{i : I}\) ein Element aus der Menge \(\mathbb{Z}^{(I)}\), bestehend aus Abbildungen mit endlichen Träger.
- \(g = \sum_{i : I} \lambda_i \cdot g_i\) (Im Hinblick auf Bedingung (i), ist diese Summe wohldefiniert).
Wenn \(G\) eine \(\mathbb{Z}\)-basis besitzt, wird \(G\) eine \(\mathbb{Z}\)-freie abelsche Gruppe genannt. Man sagt auch Basis und freie abelsche Gruppe, statt \(\mathbb{Z}\)-Basis und \(\mathbb{Z}\)-freie abelsche Gruppe.
6.9 Endliche Basen und Rang
Eine endliche Familie \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) ist genau dann eine Basis, wenn, für jedes \(g : G\), \(\exists!\ (\lambda_1,\ \ldots\ , \lambda_k) : \mathbb{Z}^k\), sodass \(g = \lambda_1 \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_k \cdot g_k\).
Satz. Sei \(G\) eine abelsche Gruppe, die eine Basis \((g_1,\ \ldots\ , g_n)\) mit \(n\) Elementen besitzt. Dann hat jede Basis für \(G\) genau \(n\) Elemente.
Beweis. Nehmen wir an, dass \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) und \((h_1,\ \ldots\ , h_{\ell})\) beide Basen von \(G\) sind.
- Dann ist, per Definition einer Basis, die Abbildung \(\varphi : \mathbb{Z}^k \to G\), die durch \(\varphi(\lambda_1,\ \ldots\ , \lambda_k) := \lambda_1 \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_k \cdot g_k\) definiert wird, ein Gruppenisomorphismus. Das heißt, durch die Wahl von \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) ist \(G \simeq \mathbb{Z}^k\).
- In analoger Weise, ist \(G\) durch die Wahl von \((h_1,\ \ldots\ , h_{\ell})\) isomorph zu \(\mathbb{Z}^\ell\).
- Aber wenn \(\mathbb{Z}^k \simeq \mathbb{Z}^\ell\), muss \((\mathbb{Z}/2\mathbb{Z})^k \simeq \mathbb{Z}^k / 2\mathbb{Z}^k \simeq \mathbb{Z}^\ell / 2\mathbb{Z}^\ell \simeq (\mathbb{Z}/2\mathbb{Z})^\ell\) auch gelten. Durch Vergleichung die Kardinalität dieser Mengen, gibt es \(2^k = 2^\ell\), somit \(k = \ell\).
6.10 Der Rang einer freien Gruppe mit endlicher Basis
Wenn \(G\) eine endliche Basis besitzt, kann man den Rang von \(G\) definieren.
Definition. Die Kardinalität einer beliebigen Basis für \(G\) wird Rang von \(G\) genannt, und als \(\text{Rg}(G)\) bezeichnet.
Zum Beispiel hat \(\mathbb{Z}^n\) Rang \(n\). Um es zu beweisen, reicht es eine Basis zu finden! Die sogenannte kanonische Basis von \(\mathbb{Z}^n\) ist:
\[ e_1 = (1, 0, 0\ \ldots\ , 0),\ e_2 = (0, 1, 0\ \ldots\ , 0),\ e_n = (0,,\ \ldots\ , 0 , 1) \]
Der Fall \(\text{Rg}(G) = 0\) ist äquivalent zu \(G = \{ 0_G \}\). In diesem Fall ist die leere Familie eine Basis für \(G\) (nehmen Sie \(I = \emptyset\) in der Definition einer Basis). ## Untergruppen einer endlich erzeugten freien abelschen Gruppe
Satz. Sei \(G\) eine endlich erzeugte freie abelsche Gruppe (das heißt, eine abelsche Gruppe mit einer endlichen Basis). Sei \(n := \text{Rg}(G)\). Dann ist jede Untergruppe \(U \preccurlyeq G\) eine endlich erzeugte freie abelsche Gruppe, mit \(\text{Rg}(U) \leqslant n\).
Beweis. Der Beweis erfolgt durch Induktion über \(n\).
- Wenn \(n = 0\), gilt \(U = G = \{e_G\}\), die eine endlich erzeugte freie Gruppe mit Rang \(0\) ist.
- Nehmen wir an, dass \(n = k + 1\) und dass die Eigenschaft gilt, für Untergruppen von endlich erzeugten Gruppen mit Rang \(k\). Dann können wir \(G\) als \(\mathbb{Z} g_1 \oplus\ \ldots\ \oplus \mathbb{Z} g_k \oplus \mathbb{Z} g_{k + 1}\), für einige \(\mathbb{Z}\)-Basis \((g_1,\ \ldots\ , g_k, g_{k + 1})\) von \(G\) schreiben. Sei \(\pi: G \to \mathbb{Z} g_{k + 1}\) die durch \((x_1,\ \ldots\ , x_k, x_{k + 1}) \mapsto x_{k + 1}\) definierte Projektion.
- Dann ist \(\pi(U)\) eine Untergruppe von \(\mathbb{Z} g_{k + 1} \simeq \mathbb{Z}\). Aber eine Untergruppe von \(\mathbb{Z}\) muss von der Form \(m \mathbb{Z}\) sein. Dann gilt \(\pi(U) \simeq m (\mathbb{Z} g_{k + 1}) \simeq \mathbb{Z} (m \cdot g_{k +1})\), die \(\mathbb{Z}\)-frei ist.
6.11 Folge vom Beweis der Existenz einer Basis
Das heißt, \(\pi(U)\) besitzt eine Basis, mit einem einzigen Element \(h_{k + 1} := m \cdot g_{k +1}\).
Danach, per die Induktionsannahme, besitzt die Untergruppe
\[\text{Ker}\ \pi|_U = U \cap \text{Ker}\ \pi \subseteq \text{Ker}\ \pi = \mathbb{Z} g_1 \oplus\ \ldots\ \oplus \mathbb{Z} g_k \simeq \mathbb{Z}^k \]
eine Basis, mit Kardinalität \(\ell \leqslant k\). Sei \((h_1,\ \ldots\ , h_\ell)\) eine solche Basis für \(\text{Ker}\ \pi|_U\).
Sei \(u\) ein Element von \(U\). Da \(\pi(u - \pi(u)) = \pi(u) - \pi(\pi(u)) = \pi(u) - \pi(u) = 0_G\), ist \(u - \pi(u)\) ein Element von \(\text{Ker}\ \pi\). Außerdem ist \(\pi(u)\) ein Element aus \(\pi(U) = \mathbb{Z} h_{k + 1}\). Daher können wir \(u - \pi(u) = \lambda_1 h_1 +\ \ldots\ + \lambda_k h_k\) und \(\pi(u) = \lambda_{k + 1} h_{k+1}\) schreiben.
Dann gilt \(u = (u - \pi(u) ) + \pi(u) \in \left<h_1,\ \ldots\ , h_k, h_{k+1}\right>_G\). Dies bewiest, dass \(U = \left<h_1,\ \ldots\ , h_k, h_{k+1}\right>_G\) . Insbesondere ist \(U\) endlich erzeugt.
6.12 Ende vom Beweis der Existenz einer Basis
Es bleibt zu beweisen, dass das Erzeugendensytem \((h_1,\ \ldots\ , h_k, h_{k+1})\) eine Basis für \(U\) ist. Das heißt, dass die Familie \((h_1,\ \ldots\ , h_k, h_{k+1})\) auch eine freie Familie ist:
\[\big( \lambda_1 \cdot h_1 +\ \ldots\ + \lambda_k \cdot h_k + \lambda_{k + 1} \cdot h_{k + 1} = 0_G \big) \Longrightarrow \big( \lambda_1 =\ \ldots\ = \lambda_k = \lambda_{k + 1} = 0_{\mathbb{Z}} \big)\ .\]
Setzen wir \(x := \lambda_1 \cdot h_1 +\ \ldots\ + \lambda_k \cdot h_k \in \text{Ker}\ \pi|_U\) und \(y := \lambda_{k + 1} \cdot h_{k + 1} \in \pi(U)\) und nehmen wir an, dass \(x + y = 0_G\). Dann gilt \(0_G = \pi(0_G) = \pi(x) + \pi(y) = 0_G + y = y\). Daher auch \(x = 0_G\).
Aus \(x = 0_G\) und der Tatsache, dass die Familie \((h_1,\ \ldots\ , h_k)\) eine Basis für \(\text{Ker}\ \pi|_U\) ist, folgt \(\forall\ i \in \{1,\ \ldots\ , k\},\ \lambda_i = 0_{\mathbb{Z}}\).
Und aus \(y =0_G\) und der Tatsache, dass \(h_{k+1}\) eine Basis für \(\pi(U)\) ist, folgt \(\lambda_{k + 1} = 0_{\mathbb{Z}}\). Dies beendet den Beweis.
6.13 Unterschiede zu Vektorräume
- In einer endlich erzeugten freien abelschen Gruppe mit Rang \(n\), ist eine freie Familie mit \(n\) Elemente nicht unbedingt eine Basis. Zum Beispiel, in \(G =\mathbb{Z}\), die Familie mit dem einzigen Element \(h := 2\) ist \(\mathbb{Z}\)-frei (\(n \cdot 2 = 0_{\mathbb{Z}} \Rightarrow 2n = 0_{\mathbb{Z}} \Rightarrow n = 0_{\mathbb{Z}}\)) aber kein Erzeugendensystem für \(\mathbb{Z}\).
- Aus dem gleichen Grund, ist eine Untergruppe \(U\) von \(G\) mit \(\text{Rg}(U) = \text{Rg}(G)\) nicht unbedingt die ganze \(G\). Zum Beispiel, \(2 \mathbb{Z} \not= \mathbb{Z}\).
- Es ist im Allgemeinen nicht möglich, in einem Erzeugendensystem, eine Unterfamilie zu finden, die eine Basis für \(G\) ist. Zum Beispiel, in \(G =\mathbb{Z}\), ist die Familie \((h_1, h_2) := (2,3)\) ein Erzeugendensystem (da \(3 - 2 = 1\) und \(\left< 1 \right>_{\mathbb{Z}} = \mathbb{Z}\)) aber weder \(h_1 = 2\) noch \(h_2 = 3\) sind Basen für \(\mathbb{Z}\).
6.14 Freie abelsche Gruppe sind torsionsfrei
Das folgende Ergebnis gilt für alle freie abelsche Gruppe (keine Annnahme, dass \(G\) endlich erzeugt ist).
Satz. Sei \(G\) eine freie abelsche Gruppe. Dann ist \(G\) torsionsfrei.
Beweis. Sei \((g_i)_{i\ :\ I}\) eine Basis für \(G\) und sei \(g\) ein Torsionselement. Dann existiert \(n : \mathbb{N}_{>0}\) mit \(n \cdot g = 0_G\) und eine Familie \(\lambda : \mathbb{Z}^{(I)}\), sodass \(g = \sum_{i : I} \lambda_i \cdot g_i\). Gilt deshalb
\[ 0_G = n \cdot g = n \cdot \sum_{i : I} \lambda_i \cdot g_i = \sum_{i : I} (n\lambda_i) \cdot g_i .\]
Da die Familie \((g_i)_i\) frei ist, impliziert dies, dass \(\forall\ i : I, n\lambda_i = 0_{\mathbb{Z}}\), somit \(\lambda_i = 0_{\mathbb{Z}}\) .
Die umgekehrte Implikation gilt im Allgemeinen nicht. Zum Beispiel, die abelsche Gruppe \(\mathbb{Q}\) ist torsionsfrei (\((n\cdot\frac{a}{b} = 0_{\mathbb{Q}}) \wedge \frac{a}{b} \not= 0_{\mathbb{Q}} \Rightarrow n = 0_{\mathbb{Z}}\)) aber nicht \(\mathbb{Z}\)-frei (siehe unten).
6.15 Übung 2
- Zeigen Sie, dass Elemente \(\frac{p}{q}\) und \(\frac{p'}{q'}\) in \(\mathbb{Q}\) immer linear abhängig über \(\mathbb{Z}\) sind. Das heißt, finden Sie \(n, m : \mathbb{Z}\), so dass \(n \cdot \frac{p}{q} + m \cdot \frac{p'}{q'} = 0_{\mathbb{Q}}\) .
- Folgern Sie daraus, dass wenn die abelsche Gruppe \(\mathbb{Q}\) endlich erzeugt ist, dann jedes Erzeugendensystem für \(\mathbb{Q}\) genau ein Element besitzt.
- Nehmen Sie an, dass ein \(\frac{p}{q} : \mathbb{Q}\) existiert, mit \(\mathbb{Z} \frac{p}{q} = \mathbb{Q}\) und erreichen Sie einen Widerspruch.
6.16 Übung 3
Sei \(G\) eine abelsche Gruppe. Zeigen Sie, dass für jedes \(g : G\), die Familie \(\{g\}\) genau dann frei ist, wenn \(g\) nicht ein Torsionselement von \(G\) ist.
6.17 Endlich erzeugte und torsionsfreie abelsche Gruppen
Wir haben gerade gesehen, dass torsionsfreie abelsche Gruppen im Allgemeinen nicht frei sind.
Allerdings gibt es für endlich erzeugte abelsche Gruppe das folgende Ergebnis.
Satz. Sei \(G\) eine endliche erzeugte abelsche Gruppe, die außerdem torsionsfrei ist. Dann besitzt \(G\) eine endliche \(\mathbb{Z}\)-basis.
Beweis. Man startet mit einem Erzeugendensystem \((g_1,\ \ldots\ , g_n)\) für \(G\). Da \(G\) torsionsfrei ist, ist die Familie \(\{g_1\}\) eine freie Familie. Es gibt deshalb eine wohldefinierte natürliche Zahl \(k : \mathbb{N}_{> 0}\) mit
\[k = \max\{1 \leqslant j \leqslant n\ /\ (g_1,\ \ldots\ g_j)\ \text{frei}\}\ .\]
Wir werden zeigen, dass \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) eine \(\mathbb{Z}\)-Basis für \(G\) ist.
6.18 Folge vom Beweis, dass G eine Basis besitzt
- Sei \(U := \left< g_1,\ \ldots\ , g_k \right>\). Per Konstruktion ist \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) eine Basis für \(U\). Wenn \(k=n\), ist \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) auch eine Basis für \(G\).
- Nehmen wir jetzt an, dass \(k < n\). Per Maximalität von \(k\), ist, für jedes \(i \in \{k + 1,\ \ldots\ , n\}\), die Familie \((g_1,\ \ldots\ , g_k, g_i)\) nicht frei. Das heißt, es gibt ganze Zahlen \(\lambda_{i, 1}\), \(\ldots\) , \(\lambda_{i, k}\), \(\mu_i\), nicht alle von ihnen null, so dass \(\lambda_{i, 1} \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_{i, k} \cdot g_k + \mu_i \cdot g_i = 0_G\).
- Dann gilt \(\mu_i \not= 0_{\mathbb{Z}}\). Weil, wenn \(\mu_i = 0_{\mathbb{Z}}\), dann \(\forall\ j \in \{1,\ \ldots\ , k\},\ \lambda_{i,j} = 0_{\mathbb{Z}}\).
- Sei \(\mu := \mu_{k + 1} \ldots \mu_n\) und sie \(\varphi : G \to G\) die durch \(g \mapsto \mu \cdot g\) definierte Abbildung. Dann ist \(\varphi\) einen Gruppenhomomorphismus und setzen wir \(\mu G := \text{Im}\ \varphi\).
- Beachten Sie, dass \(\mu \cdot g_i = (\prod_{\ell \not = i} \mu_{\ell}) \cdot (\mu_i \cdot g_i)= - (\prod_{\ell \not = i} \mu_{\ell}) \cdot (\lambda_{i, 1} \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_{i, k} \cdot g_k)\) eine lineare Kombination von \((g_1,\ \ldots\ , g_k)\) ist.
6.19 Ende vom Beweis, dass G eine Basis besitzt
- Da für alles \(i \in \{s + 1,\ \ldots\ , n\}\), \(\mu \cdot g_i \in \left< g_1,\ \ldots\ , g_k \right> = U\) und \(G = \left< g_1,\ \ldots\ , g_n \right>\), gilt \(\mu G \subset U\).
- Da \(U\) endlich erzeugt und frei ist, ist \(\mu G\) auch endlich erzeugt und frei, als Untergruppe einer endlich erzeugten freien abelschen Gruppe.
- Da \(G\) torsionsfrei ist, ist die Abbildung \(\varphi : g \mapsto \mu \cdot g\) injektiv. Sie induziert daher ein Gruppenisomorphismus \(G \simeq \mu G\).
- Da \(\mu G\) eine endliche \(\mathbb{Z}\)-Basis hat, hat \(G\) auch eine endliche \(\mathbb{Z}\)-Basis. Dies beendet den Beweis.
6.20 Zerlegungssatz für endlich erzeugte abelsche Gruppen
Der folgende Zerlegungssatz ist der letzte Schritt in der Klassifiezierung endlich erzeugter abelscher Gruppen.
Satz. Sei \(G\) eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und sei \(\text{Tor}(G)\) die Torsionsuntergruppe von \(G\). Dann ist die Faktorgruppe \(G /\text{Tor}(G)\) eine endlich erzeugte freie abelsche Gruppe. Außerdem gibt es eine Untergruppe \(F \preccurlyeq G\), sodass \(F \simeq G / \text{Tor}(G)\) und
\[G = F \oplus \text{Tor}(G)\ .\]
Insbesondere „hat jede endlich erzeugte abelsche Gruppe \(G\) einen freien Teilen (mit endlichen Rang) \(F \simeq \mathbb{Z}^r\) und einen Torsionsteilen \(\text{Tor}(G)\) (die endliche ist)“.
Aus diesem Satz und dem Satz über invariante Faktoren, folgt der Klassifikationssatz für endlich erzeugte abelsche Gruppen (siehe unten).
6.21 Beweis des Zerlegunssatzes
- Sei \(\pi : G \to G/\text{Tor}(G)\) die kanonische Projektion und sei \(( g_1,\ \ldots\ , g_n )\) ein Erzeugendensystem für \(G\). Da \(\pi\) surjektiv ist und \(G = \left< g_1,\ \ldots\ , g_n \right>\), gilt \(G / \text{Tor}(G) = \left< \pi(g_1),\ \ldots\ , \pi(g_n) \right>\). Das heißt, die Gruppe \(G / \text{Tor}(G)\) ist endlich erzeugt.
- Da \(G / \text{Tor}(G)\) torsionsfrei ist, muss dann \(G / \text{Tor}(G)\) eine \(\mathbb{Z}\)-Basis \((h_1,\ \ldots\ , h_r)\) besitzen.
- Da \(\pi\) surjektiv ist, existiert, für jedes \(i\), ein Element \(g_i : G\) mit \(\pi(g_i) = h_i\). Sei dann \(\varphi : G / \text{Tor}(G) \to G\) der eindeutige Gruppenhomomorphismus, die \(h_i\) nach \(g_i\) abbildet. Übung: ein solcher Gruppenhomomorphismus existiert und erfüllt \(\pi \circ \varphi = id_{G / \text{Tor(G)}}\).
- Sei \(F := \left< g_1,\ \ldots\ , g_r \right> \preccurlyeq G\). Wir werden beweisen, dass \(F \simeq \mathbb{Z}^r\) ist und dass \(F \oplus \text{Tor}(G) = G\) gilt.
6.22 Ende vom Beweis des Zerlegunssatzes
- Da \(\varphi : G / \text{Tor}(G) \to G\) die Bedingung \(\pi \circ \varphi = id_{G / \text{Tor}(G)}\) erfüllt, ist \(\varphi\) injektiv. Da per Definition \(F = \text{Im}\ \varphi\), gilt \(F \simeq G / \text{Tor}(G) \simeq \mathbb{Z}^r\).
- Um \(F \oplus \text{Tor}(G) = G\) zu beweisen, reicht es \(F \cap \text{Tor}(G) = \{0_G\}\) und \(F + \text{Tor}(G) = G\) zu zeigen.
- Sei \(x \in F \cap \text{Tor}(G)\). Dann gilt \(x = \lambda_1 \cdot g_1 +\ \ldots\ + \lambda_r \cdot g_r\) für einzige \(\lambda_1\), \(\ldots\) , \(\lambda_r\) in \(\mathbb{Z}\) und auch \(\pi(x) = 0_{G / \text{Tor}(G)}\) . Daher gilt \(\lambda_1 \cdot \pi(g_1) +\ \ldots\ + \lambda_r \cdot \pi(g_r) = 0_{G / \text{Tor}(G)}\). Da \((\pi(g_i))_{1 \leqslant i \leqslant r} = (h_i)_{1 \leq i \leq r}\) eine freie Familie ist, muss jedes \(\lambda_i = 0_{\mathbb{Z}}\). Somit \(x = 0_G\).
- Sei \(x : G\). Schreiben wir \(x = (x - \varphi(\pi(x))) + \varphi(\pi(x))\). Dann gilt \(\varphi(\pi(x)) \in \text{Im}\ \varphi =F\). Außerdem gilt \(\pi(x - \varphi(\pi(x))) = \pi(x) - \underbrace{(\pi \circ \varphi)}_{= id_{G / \text{Tor}(G)}} (\pi(x)) = 0_{G / \text{Tor}(G)}\) . Somit \((x - \varphi(\pi(x))) \in \text{Ker}\ (\pi) = \text{Tor}(G)\) und \(x \in \text{Tor}(G) + F\) .
6.23 Normalform für endlich erzeugte abelsche Gruppen
Der Zerlegungssatz für endlich erzeugte abelsche Gruppen wird oft wie folgt geschrieben: es gibt ein eindeutiges \(r : \mathbb{N}_{\geq 0}\) und einen Gruppenisomorphismus
\[G \simeq \mathbb{Z}^r \times \text{Tor}(G)\ .\]
Die Gruppe \(\text{Tor}(G)\) ist eine endliche abelsche Gruppe. Nach dem Satz über invariante Faktoren, gibt es eine eindeutige endliche Folge natürlichen Zahlen \((d_1,\ \ldots\ , d_s)\), so dass die folgende Eigenschaften gelten:
- \(\forall\ j \in \{1,\ \ldots\ s-1\},\ d_{j + 1}\ |\ d_j\) .
- Es gibt einen Gruppenisomorphismus \(\text{Tor}(G) \simeq (\mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z} ) \times \ \ldots\ \times (\mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z} ) .\)
Dann gibt einen Gruppensisomorphismus
\[G \simeq \mathbb{Z}^r \times \big( \mathbb{Z} / d_1\mathbb{Z} \big) \times \ \ldots\ \times \big( \mathbb{Z} / d_s\mathbb{Z} \big) .\]
6.24 Bemerkungen
Sei \(G\) eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und sei \(r\) die eindeutige natürliche Zahl mit \(G \simeq \mathbb{Z}^r \times \text{Tor}(G)\). Obwohl \(G\) im Allgemeinem nicht frei ist, wird die (wohldefiniert) natürliche Zahl \(r\) den Rang von \(G\) genannt.
Anstelle von invarianten Faktoren kann man auch die Elementarteiler von \(G\) verwenden. In diesem Fall, schreibt man die endliche Gruppe \(\text{Tor}(G)\) als Produkt ihrer primären Anteile. Dann gibt es einen Gruppenisomorphismus
\[ G \simeq \mathbb{Z}^r \times \prod_{i=1}^k \big(\mathbb{Z} / p_i^{m_{i, 1}}\mathbb{Z} \big) \times \ \ldots\ \times \big(\mathbb{Z} / p_i^{m_{i, s_i}}\mathbb{Z} \big)\]
wobei \(\prod_{i=1}^k p_{i}^{\alpha_i}\) die Primfaktorzerlegung von \(|\text{Tor}(G)|\) ist, und \(m_{i, 1} +\ \ldots\ + m_{i, s_i} = \alpha_i\) eine Partition von \(\alpha_i\) ist.
6.25 Übung 4
Sei \(G\) eine Torsionsgruppe und sei \(H\) eine torsionsfreie abelsche Gruppe. Zeigen Sie, dass jeder Gruppenhomomorphismus \(\varphi : G \to H\) ist null.
