3  Nebenklassen und der Satz von Lagrange

Ein Porträt von Joseph-Louis Lagrange.

Joseph-Louis Lagrange (1736–1813) war ein französischer Mathematiker und Astronom italienischer Herkunft. Er begründete die analytische Mechanik in Physik und leistete auch Beiträge zur Gruppentheorie und zur Theorie der quadratischen Formen in der Zahlentheorie.

3.2 Beispiele für Nebenklassen

\(\begin{array}{c|cccccccc} & \cellcolor{LightBlue} id & \cellcolor{LightBlue} r & \cellcolor{LightBlue} r^2 & \cellcolor{LightBlue} r^3 & s & t & \sigma & \tau \\ \hline \cellcolor{LightBlue} id & id & r & r^2 & r^3 & s & \cellcolor{LightGreen} t & \sigma & \tau \\ \cellcolor{LightBlue} r & r & r^2 & r^3 & id & \sigma & \cellcolor{LightGreen} \tau & t & s \\ \cellcolor{LightBlue} r^2 & r^2 & r^3 & id & r & t & \cellcolor{LightGreen} s & \tau & \sigma \\ \cellcolor{LightBlue} r^3 & r^3 & id & r & r^2 & \tau & \cellcolor{LightGreen} \sigma & s & t \\ s & \cellcolor{pink} s & \cellcolor{pink} \tau & \cellcolor{pink} t & \cellcolor{pink} \sigma & id & r^2 & r^3 & r \\ t & t & \sigma & s & \tau & r^2 & id & r & r^3 \\ \sigma & \sigma & s & \tau & t & r & r^3 & id & r^2 \\ \tau & \tau & t & \sigma & s & r^3 & r & r^2 & id \end{array}\)

Sei \(G\) die Symmetriegruppe eines Quadrats. Sei \(U := \{ id, r, r^2, r^3 \}\) die (oben in blau dargestellt) Untergruppe von \(G\), die aus direkten solchen Symmetrien besteht. Die Linksnebenklasse \(sU = \{s, \tau, t, \sigma\}\) ist in Pink dargestellt. In Grün ist die Rechtsnebenklasse \(Ut\).

3.3 Repräsentanten einer Linksnebenklasse

  • Seien \(G\) eine Gruppe und \(U\) eine Unterguppe von \(G\). Eine Teilmenge \(T : \text{Teil}(G)\) wird eine Linksnebenklasse von \(U\) genannt, falls es ein Element \(a : G\) gibt, sodass \(T = a U\).

  • Solches Element \(a\) wird als Repräsentant der Nebenklasse \(T\) bezeichnet. Gibt es weitere Repräsentaten? Falls ja, wie können wir diese charakterisieren?

    Satz. Sei \(a, b :G\). Dann sind äquivalent:
    1. \(a U = b U\).
    2. \(\exists\ g : G,\ g \in aU \cap b U\).
    3. \(b \in aU\).
    4. \(a^{-1} b \in U\).
  • Da \(a \in a U\) ist (denn \(a = ae\) mit \(e \in U\)), sind Linksnebenklassen nicht leer.

3.4 Gleichheit zwischen Linksnebenklassen

Beweisen wir i \(\Rightarrow\) ii \(\Rightarrow\) iii \(\Rightarrow\) iv \(\Rightarrow\) i.

  • „ i \(\Rightarrow\) ii “ : Nehmen wir an, dass \(aU = bU\). Dann \(aU \cap bU = aU\). Da \(aU \not= \emptyset\) ist, folgt ii.
  • „ ii \(\Rightarrow\) iii “ : Durch Annahme erhalten wir \(g : G\) und \(u, v \in U\), so dass \((g = au) ∧ (g = bv)\). Da \(U\) eine Untergruppe ist, gilt \(b = g v^{-1} = a u v^{-1}\) mit \(u v^{-1} \in U\). Das heißt, \(b \in a U\).
  • „ iii \(\Rightarrow\) iv “ : Wenn \(b \in aU\), gibt es \(u \in U\), sodass \(b = au\). Somit \(a^{-1} b = u \in U\).
  • „ iv \(\Rightarrow\) i “ : Da \(a^{-1} b \in U\) ist, gibt es \(u \in U\), sodass \(b = au\) (nämlich, \(u := a^{-1} b\)). Zeigen wir dann, das \(aU \subset bU\) und \(bU \subset aU\).
    • Falls \(g = a v\) mit \(v \in U\) gilt, dann gilt \(g = a v = a (u u^{-1}) v = (au) u^{-1} v = b u^{-1} v\) mit \(u^{-1}v \in U\). Somit \(g \in bU\).
    • Gleichfalls, falls \(g = b v\) mit \(v \in U\) gilt, dann gilt \(g = bv = (a u) v = a (u v)\) mit \(uv \in U\). Somit \(g \in aU\).

3.5 Übung 1 - Unterscheidung zwischen Linksnebenklassen

  • Da \(aU\) und \(bU\) Teilmengen von \(G\) sind, ist \(aU = bU\) äquivalent zu \(aU \subset bU \wedge bU \subset aU\).

  • Per Definition, ist \(aU \not= bU\) äquivalent zu \(aU \not\subset bU \vee bU \not\subset aU\). Die Relation \(aU \not\subset bU\) bedeutet:

    \[ \exists g : G, g \in aU \wedge g \not\in bU \]

  • Geben Sie für jede der folgenden Implikationen einen direkten Beweis:

    1. \(aU \cap bU \not= \emptyset \Rightarrow aU = bU\). Das heißt, wenn \(aU \cap bU\) nicht leer ist, gibt es \(aU =bU\).
    2. \(aU \not= bU \Rightarrow aU \cap bU = \emptyset\). Das heißt, wenn \(aU\) und \(bU\) unterschiedliche Teimengen von \(G\) sind, dann ist das Durchschnitt \(aU \cap bU\) die leere Teilmenge von \(G\).
  • Beachten Sie, dass die Implikation \(aU = bU \Rightarrow aU \cap bU \not= \emptyset\) bereits bewiesen wurde.

3.6 Übung 2

  • Nehmen Sie die drei vorherigen Folien an und formulieren Sie analogen Sätze für Rechtsnebenklassen. Beweisen Sie danach diese Sätze.

  • Sei \(U\) eine Untergruppe von \(G\) und \(\sim_U\) die Relation, die durch die Bedingung \((a \sim_{L, U} b) \ := \ (a^{-1}b \in U)\) definiert wird. Zeigen Sie Folgende:

    1. Die Relation \(\sim_U\) ist eine Äquivalenzrelation auf \(G\) (das heißt, auf der zugrundeliegende Menge von \(G\)).
    2. Die Äquivalenzklassen der Relation \(\sim_{L, U}\) sind die Linksnebenklassen von \(U\).
    3. Für Rechtsnebenklassen kann man in analoger Weise die Relation \(a \sim_{R, U} b := b a^{-1} \in U\) betrachten.

3.8 Nebenklassen in kommutativen Gruppen

  • Falls \(G\) eine kommutative Gruppe ist, dann für jede Untergruppe \(U\) und jedes Element \(a : G\), gilt \(aU = Ua\).

  • Dies ergibt sich direkt aus der Definition von Links und Rechtsnebenklassen: Wenn \(g = au\), gilt auch \(g = ua\).

    Anmerkung. Manchmal ist es hilfreich, informelle Berechnungen wie folgt durchzuführen: \[ \big( b \in aU \big) \Rightarrow \big(b = au\ \text{mit}\ u \in U\big) \Rightarrow \big( b U = (au) U = a (uU) = aU \big). \]

3.10 Beispiel für eine Menge Linksnebenklassen

\(\begin{array}{c|cccccccc} & id & r & r^2 & r^3 & s & t & \sigma & \tau \\ \hline id & \cellcolor{LightBlue} id & \cellcolor{LightBlue} r & \cellcolor{LightBlue} r^2 & \cellcolor{LightBlue} r^3 & s & t & \sigma & \tau \\ r & r & r^2 & r^3 & id & \sigma & \tau & t & s \\ r^2 & r^2 & r^3 & id & r & t & s & \tau & \sigma \\ r^3 & r^3 & id & r & r^2 & \tau & \sigma & s & t \\ s & \cellcolor{pink} s & \cellcolor{pink} \tau & \cellcolor{pink} t & \cellcolor{pink} \sigma & id & r^2 & r^3 & r \\ t & t & \sigma & s & \tau & r^2 & id & r & r^3 \\ \sigma & \sigma & s & \tau & t & r & r^3 & id & r^2 \\ \tau & \tau & t & \sigma & s & r^3 & r & r^2 & id \end{array}\)

In der Symmetriegruppe eines Quadrats, hat die Untergruppe direkten Symmetrien zwei Linksnebenklassen: \(U = \{ id, r, r^2, r^3 \}\) und \(sU = \{ s, \tau, t, \sigma\}\). Beachten Sie, dass \(U = rU = r^2 U = r^3 U\) gilt (da \(r \in U\) ist), und dass \(sU = \tau U = t U = \sigma U\) auch gilt.

3.11 Die induzierte Partition

  • Die Menge \(G/U\) von Linksnebenklassen von \(U\) in \(G\) ist mit einer Abbildung nach \(\text{Teil}(G)\) ausgestattet:

    \[ \text{pr}_1 : G/U \to \text{Teil}(G),\ \{ A \} \mapsto A \ . \]

  • In dieser Situation ist \(G\) die disjunkte Vereinigung der Linksnebenklassen von \(U\).

    \[ G = \bigsqcup_{t\ :\ G/U} \text{pr}_1(t) \]

  • Dies bedeutet:

    1. \(\forall\ g : G,\ \exists\ t : G /U, g \in \text{pr}_1(t)\). Explizit existiert es eine Teilmenge \(A\) von \(G\), die eine Linknebenklasse von \(U\) ist, sodass \(g \in A\) (noch expliziter nehmen wir \(A := gU\) an).
    2. \(\forall t, t' : G,\ \text{pr}_1(t) \cap \text{pr}_1(t') \neq \emptyset \Leftrightarrow \text{pr}_1(t) = \text{pr}_1(t')\). Explizit ist \(aU \not= bU \Leftrightarrow aU \cap bU = \emptyset\), wie aus dem Satz über Repräsentanten einer Linksnebenklasse folgt.

3.12 Eine Bemerkung zur Definition eine Linksnebenklasse

  • Wir können das vorheriges Beispiel benötigen, um etwas über den formalen Standpunkt zu erklären. 👉 Zunächst möchte ich aber sagen, dass der Ausdruck \(T : \text{Teil}(G)\) eine Notation ist, für was Sie als \(T \in \mathcal{P}(G)\) (die Potenzmenge von \(G\)) oder \(T \subset G\) kennen.

  • Wir haben zuvor ein Prädikat \(\text{Neb}_{L, U} : \text{Teil}(G) \to \{0, 1\}\) definiert, sodass \(\text{Neb}_{L, U}(T) = 1\), genau dann wenn \(\exists\ a : G,\ T = a U\) (das heißt, \(\text{Neb}_{L, U}(T)\) ist genau dann gleich \(1\), wenn ein \(a : G\) existiert, sodass \(T = a U\) ist). Dies gibt der Aussage „\(T\) ist eine Linksnebenklasse von \(U\)“ eine Bedeutung.

  • Dann haben wir die Menge von Linksnebenklassen von \(U\) als Teilmenge von \(\text{Teil}(G)\) konstruiert:

    \[ \{ T : \text{Teil}(G)\ /\ T\ \text{ist eine Linksnebenklasse von}\ U \} \]

    Diese Menge kann auch als \(\text{Neb}_{L,U}^{-1}(\{ 1 \})\) charakterisiert werden.

3.13 Prädikaten und Teilmenge

  • Formalerweise, sollten wir die Elemente einer Teilmenge als Paaren bezeichnen.

  • Zum Beispiel, sollten die Elemente der Menge Linksnebenklassen nach \(U\) als Paaren \((T, \textcolor{blue}{p_T})\) repräsentiert werden, wobei:

    • \(T\) eine Teilmenge von \(G\) ist (das heißt, eine Teilmenge von der zugrundeliegende Menge der Gruppe \(G\)…).
    • \(\textcolor{blue}{p_T}\) ein Beweis ist, dass \(T\) eine Linksnebenklasse von \(U\) ist (im vorherigen Sinn).
  • Zweck davon ist, Folgendes zu garantieren: Wenn wir ein Objekt haben, das wir eine Linksnebenklasse nennen, sollten wir in der Lage sein, nicht nur eine Teilmenge daraus zu erbringen, sondern auch einen Beweis, dass diese Teilmenge eine Linknebenklasse ist 🤯 . Wir möchten diese Eigenschaft irgendwo speichern.

3.14 Natürliche Sprache und Formalisierung der Mathematik

  • In der natürlichen Sprache betrachten wir die folgende Ausdrücke üblicherweise als das gleiche:

    • \(T\) ist eine Linksnebenklasse von \(U\)“.
    • \(T\) ist ein Element der Menge der Linksnebenklassen von \(U\)“.
  • Formal ist das jedoch nicht der Fall:

    • Der erste ist ein Satz, nämlich der Satz \(P_{L,U}(T) = 1\). Damit diese Notation korrekt ist, muss \(T\) eine Teilmenge von \(G\) sein (da \(P_{L, U}\) ein Prädikat über Teilmengen von \(G\) ist).
    • Der zweite ist ein Urteil, der außerdem nur dann wohltypisiert ist, wenn \(T\) ein Paar \((T.\text{carrier}, p_T)\) ist, wobei \(T.\text{carrier}\) eine Teilemenge von \(G\) ist und \(p_T\) ein Beweis ist, dass \(T.\text{carrier}\) eine Linksnebenklasse von \(U\) ist.

3.15 Übung 3

  • Sei \(G\) eine Gruppe und seien \(U, V\) Untergruppen von \(G\), mit \(V \preccurlyeq U\).

  • Zeigen Sie, dass

    \[[G :: V] = [G :: U][U :: V] \ . \]

3.16 Der Satz von Lagrange

  • Sei \(G\) eine endliche Gruppe. Die Kardinalität von \(G\) wird auch die Ordnung von \(G\) gennant. Die Ordnung von \(G\) wird mit \(|G|\) bezeichnet. Dies erstreckt sich auf Untergruppen von G.

  • Da \(G\) endlich ist, so ist die Menge \(\text{Teil}(G)\). Daher ist für jede Untergruppe \(U\) von \(G\) die Menge \(G/U\) auch endlich. Die Kardinalität von \(G/U\) wird den Index von \(U\) genannt, und mit \([G :: U]\) bezeichnet (üblicherweise verwendet man die Notation \([G : U]\)).

    Satz von Lagrange. Gegeben eine Endliche Gruppe \(G\), gibt es, für jede Untergruppe \(U\) von \(G\), die Gleichheit \[ |G| = [G :: U] |U| \ .\] Insbesondere ist die Ordnung von \(U\) ein Teiler von der Ordnung von \(G\).

3.17 Beweis des Satzes von Lagrange

  • Da \(G\) die disjunkte Vereinigung der Linksnebenklassen von \(U\) ist, gilt \[ |G| = \sum_{A\ :\ G /U} |A| \ .\]
  • Hat aber jede Linksnebenklasse \(A\) von \(U\) die gleiche Kardinalität als \(U\) (weil es eine Bijektion von \(A = aU\)nach \(U\) existiert). Daher ergibt sich, per definition von \([G :: U]\) als die Kardinalität von \(G/U\), die Gleichheit \[ |G| = [G :: U] |U| \ .\]

3.18 Bemerkungen zum Satz von Lagrange

  • Sei \(G\) eine endliche Gruppe und \(U := \left< g \right>\) die von einem Element \(g : G\) erzeugte Untergruppe. Da \(U = \{ h : G\ |\ \exists\ n : \mathbb{N}, h = g ^ n\}\) endlich ist, muss \(g\) endliche Ordnung haben. Dann hat der Satz von Lagrange die folgende Konsequenz.

    Satz. Sei \(G\) eine endliche Gruppe und sei \(g : G\). Dann hat \(g\) endliche Ordnung und ist \(\text{Ord}(g)\) ein Teiler von \(|G|\). Insbesondere, falls \(d\) nicht ein Teiler der Ordnung von \(G\) ist, gibt es kein Element mit Ordnung \(n\) in \(G\).

  • In analoger Weise ist jede Gruppe \(G\) die disjunkte Vereinigung der Rechtsnebenklassen einer Untergruppe \(U\), und gilt auch \(|G| = |U \backslash G| |U|\). Insbesondere ist die Kardinalität von \(U \backslash G\) die gleiche von der von \(G/U\).

    👉 Also ist der Index von \(U\) in \(G\) auch die Anzahl von Rechtsnebenklassen.

3.19 Der Satz von Euler-Fermat

Sei \(G\) eine endliche Gruppe und \(g : G\) ein Element von \(G\). Dann gilt \(g ^ {|G|} = e\).

Beweis. Da \(G\) endlich ist, hat \(g\) endliche Ordnung. Nach dem Satz von Lagrange, ist \(\text{Ord}(g)\) ein Teiler von \(|G|\). Das heißt, es gibt \(n : \mathbb{N}\), sodass \(|G| = n \text{Ord}(g)\). Dann gilt

\[ g ^ {|G|} = g ^ {n \text{Ord}(g)} = \big(g ^ {\text{Ord}(g)}\big) ^ n = e ^ n = e \ .\]

Beispiel. Die Symmetriegruppe eines Quadrats hat \(8\) Elemente. Dann für jede Transformation \(T\) dieses Quadrats, gibt es \(T ^ 8 = id\). Explizit gibt es Transformationen mit Ordnung \(2\) und \(4\) (die Teiler von \(8\)) aber nicht \(3\) oder \(6\).

3.21 Faktorgruppe?

  • Ist es möglich, die Abbildung \(\pi_U : G \to G/U\) in einen Gruppenhomomorphismus zu verwandeln? Genauer gesagt, gibt es eine Gruppenstruktur auf der Menge \(G/U\), so dass \(\pi_U\) ein Gruppenhomomorphismus ist?
  • Wenn ja, würde die folgende Gleichheit gelten:

\[ (g_1 \star_G g_2) U\overset{!}{=} (g_1 U) \star_{G/U} (g_2 U) \ .\]

  • In diesem Fall, würden wir gerne wie folgt berechnen:

    \[ (g_1 g_2) U \overset{!}{=} (g_1 U) (g_2 U) = (g_1 g_2 g_2^{-1} U) (g_2 U) = (g_1 g_2) (g_2^{-1} U g _2) U \ .\]

  • Nach naiver Betrachtung scheint es, dass wir dafür nur Folgendes benötigen: \[ \forall\ g_2 : G,\ g_2^{-1} U g_2 = U \ .\]

3.22 Normalteiler

  • Seien \(G\) eine Gruppe und \(U\) eine Untergruppe von \(G\).

  • \(U\) heißt ein Normalteiler (oder normale Untergruppe) von \(G\), wenn die folgende Eigenschaft gilt:

    \[ \forall\ g, u : G,\ u \in U \Rightarrow gug^{-1} \in U. \]

  • In diesem Fall, schreibt man \(U \triangleleft G\).

    Bemerkung. Falls \(G\) eine kommutative Gruppe ist, dann ist jede Untergruppe ein Normalteiler (denn \(gug^{-1} = g g^{-1} u = u\)).

3.23 Übung 4

  • Sei \(gUg^{-1}\) die Teilmenge \(\{h : G\ /\ \exists\ g : G,\ u : U,\ h = g u g^{-1} \}\). Zeigen Sie, dass die folgende Eigenschaten äquivalent zu einander sind:

    1. \(U\) ist ein Normalteiler von \(G\).
    2. \(\forall\ g : G,\ gUg^{-1} \subseteq U\).
    3. \(\forall\ g : G,\ gUg^{-1} = U\).
    4. \(\forall\ g : G,\ gU = Ug\).
  • Insbesondere, wenn \(U\) ein Normalteiler von \(G\), stimmt die Linksnebenklasse von \(U\) nach \(g\) mit der Rechtsnebenklasse von \(U\) nach \(g\) überein.

3.24 Beispiele für Normalteiler

  • Da \((\mathbb{Z}, +)\) eine kommutative Gruppe ist, ist jede Untergruppe \(n \mathbb{Z}\) ein Normalteiler.

  • Wenn \(\varphi : G \to H\) ein Gruppenhomomorphismus ist, dann ist \(\text{Ker}\ \varphi\) ein Normalteiler von \(G.\) Grund dafür ist, dass \(\forall\ g,u : G, u \in \text{Ker}\ \varphi \Rightarrow g u g^{-1} \in \text{Ker}\ \varphi\), weil für alle \(g, u\)

    \[\varphi(gug^{-1}) = \varphi(g) \varphi(u) \varphi(g^{-1}) = \varphi(g) e_H \varphi(g)^{-1} = e_H \ . \]

  • In der Symmetriegruppe eines Quadrats (oder eines Dreiecks, etc), ist die Untergruppe der direkten Symmetrien ein Normalteiler. Grund dafür ist, wenn \(u\) eine direkte Transformation ist, so ist \(gug^{-1}\) (falls \(g\) nicht direkt ist, dann ist \(g^{-1}\) auch nicht direkt, aber die Verknüpfung zwei nicht direkte Transformationen ist wieder direkt!).

  • Dieses letztes Beispiel kann auch wie folgt behandelt werden.

3.25 Untergruppen mit Index zwei

Satz. Seien \(G\) eine Gruppe und \(U\) eine Untergruppe von \(G\) mit Index \(2\). Dann ist \(U\) ein Normalteiler von \(G\).

Beweis.

  • Erinnern wir uns daran, dass der Index von \(U\) in \(G\) sowhohl die Anzahl der Linksnebenklassen als auch die Anzahl der Rechtsnebenklassen von \(U\) in \(G\) ist.
  • Sei \(g : G\). Falls \(g \in U\), dann ist \(gU = U = Ug\). Falls \(g \not\in U\), dann ist die Partition von \(G\) wegen Linksnebenklasse von \(U\) die folgende: \(G = U \sqcup gU\). In analoger Weise, ist die Partition wegen Rechtsnebenklasse \(G = U \sqcup Ug\). Da \(U = U\) ist, muss \(gU = Ug\) sein.
  • Also gilt in jedem Fall \(gU = Ug\). Beachten Sie jedoch, dass dieser Beweis nur dann korrekt ist, wenn man die folgende Eigenschaft ohne Beweis akzeptiert: \(g \in U \vee g \not\in U\). ⚠️

3.26 Eine Verknüpfung für die Faktorgruppe

  • Wenn \(U\) ein Normalteiler von \(G\) ist, möchten wir eine Verknüpfung auf der Menge der Linksnebenklassen von \(U\) definieren.

    \[ ?\ :\ G/U \times G/U \to G/U \]

  • Da jede Linksnebenklasse \(t : G/U\) von der Form \(gU\) für ein bestimmtes Element \(g : G\) ist, ist die Idee gerade

    \[ (g_1 U) (g_2 U) := (g_1 g_2) U \]

    zu setzen.

  • Die Schwierigkeit bei dieser Definition besteht darin, dass wir sicherstellen müssen, dass das Ergebnis nicht von der Wahl der Repräsentanten \(g_1\) und \(g_2\) abhängt:

    Problem. Wenn \(g_1 U = g_1' U\) und \(g_2 U = g_2' U\), gibt es \((g_1 g_2) U = (g_1' g_2' U)\) ?

3.27 Die vorherige Verknüpfung ist wohldefiniert

  • Zunächst untersuchen wir den Fall wenn \(g_2' = g_2 u\) für ein bestimmtes \(u \in U\). Dann gilt

    \[ (g_1 g_2') U = (g_1 g_2 u) U = (g_1 g_2) (u U) = (g_1 g_2) U \ .\]

  • Danach untersuchen wir den Fall wenn \(g_1' = g_1 u\) für ein bestimmtes \(u \in U\). Dann gilt

    \[ (g_1' g_2) U = (g_1 u g_2) U = \big( g_1 (g_2 g_2^{-1}) u g_2 \big) U= (g_1 g_2) \underbrace{(g_2^{-1} u g_2)}_{\in U} (U) = (g_1 g_2) U \ .\]

  • Dieser Beweis gilt in der Mathematik allgemein als überzeugend. Sollte aber man zeigen:

    \[ \forall\ t_1, t_2 : G/U,\ \exists!\ t : G/U,\ \forall\ g_1, g_2 : G,\ \big( g_1 \in \text{pr}_1 (t_1) \big)\wedge \big( g_2 \in \text{pr}_1 (t_2) \big) \Rightarrow (g_1 g_2) \in \text{pr}_1 (t)\]

    wobei \(\text{pr}_1 : G/U \to \text{Teil}(G)\) die kanonische Abbildung ist, die früher gebaut wurde. Dann als Anwendung dieses Satzes und einer swachen Form des Auswahlaxioms könnte man \(t_1 \star_{G/U} t_2 := t\) setzen, wobei \(t\) das Element ist, das im Beweis konstruiert wurde.

3.28 Eigenschaften dieser Verknüpfung

  • Nun wollen wir beweisen, dass das Paar \((G/U, \star_{G/U})\) eine Gruppe ist. Das heißt, wir müssen Folgendes überprüfen:

    1. Die Assoziativität der Verknüpfung \(\star_{G/U}\).
    2. Die Existenz eines neutralen Elements für \(\star_{G/U}\).
    3. Die Existenz, für alles \(g : G\), eines inversen Element zu \(g\).
  • Für die Assoziativität können wir einfach schreiben:

    \[ \begin{array}{rcccl} \forall\ g_1, g_2, g_3 : G,\ \big( (g_1 U) (g_2 U) \big) \big( g_3 U \big) & = & \big( (g_1 g_2) U \big) \big( g_3 U \big) & = & \big( (g_1 g_2) g_3 \big) U \\ & & & = & \big( g_1 (g_2 g_3) \big) U \\ & & & = &\big( g_1 U \big) \big( (g_2 g_3) U \big) \\ & & & = &\big( g_1 U \big) \big( (g_2 U) (g_3 U) \big). \end{array} \]

3.29 Neutrale und inverse Elemente

  • Sei \(e : G\) das neutrales Element für \(\star_G\). Wir behaupten, dass das Element \(eU : G/U\) ein neutrales Element für \(\star_{G/U}\) ist.

    • \(\forall\ g : G,\ (eU) \star_{G/U} (gU) = (e \star_G g) U = gU\).
    • \(\forall\ g : G,\ (gU) \star_{G/U} (eU) = (g \star_G e) U = gU\).
  • Als Konsequenz, für jedes Element \(g : G\), ist \(g^{-1}U\) ein inverse Element für \(gU\) (bezüglich \(\star_{G/U}\)).

    • \((g^{-1} U) \star_{G/U} (gU) = (g^{-1} \star_G g) U = eU\).
    • \((gU) \star_{G/U} (g^{-1} U) = (g \star_G g^{-1}) U = eU\).
  • Dies beendet den Beweis, dass, wenn \(U\) ein Normalteiler von der Gruppe \(G\) ist, \((G/U, \star_{G/U})\) eine Gruppe ist.

3.30 Die kanonische Projektion ist ein Gruppenhomomorphismus

  • Wenn \(U\) ein Normalteiler von der Gruppe \(G\) ist, wird die Gruppe \((G/U, \star_{G/U})\) eine Faktorgruppe (oder Quotientgruppe) genannt.

  • Die kanonische Projektion zu dieser Faktorguppe, die wir zuvor eingeführt haben, ist die Abbildung

    \[ \pi_U : G \to G/U,\ g \mapsto gU \ ,\]

    die ein Element \(g : G\) nach die Linksnebenklasse von \(U\) nach \(g\) abbildet.

  • Es ist nun unmittelbar, dass diese Abbildung einen Gruppenhomomorphismus induziert, weil Folgendes gilt:

    \[ \forall\ g_1, g_2 : G, \pi_U(g_1 \star_{G} g_2) = (g_1 g_2) U = (g_1 U) (g_2 U) = \pi_U(g_1) \star_{G/U} \pi_U(g_2) \ . \]

    👉 Da \(\pi_U(g) = eU \Leftrightarrow gU = eU \Leftrightarrow g \in U\) ist, gilt außerdem \(\text{Ker}\ \pi_U = U\).

3.31 Division mit Rest und Faktorgruppen

  • Betrachten wir \(n : \mathbb{Z}\) mit \(n > 0\) und die Faktorgruppe \(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}\) der Gruppe \((\mathbb{Z}, +)\). Für alles Element \(a : \mathbb{Z}\), ist die Nebenklasse von \(n\mathbb{Z}\) nach \(a\) die Teilmenge

    \[a + n\mathbb{Z} := \{b : \mathbb{Z}\ |\ b - a \in n\mathbb{Z} \} \ . \]

  • Eine solche Nebenklasse hat ein eindeutiger Repräsentant \(r : \mathbb{Z}\), sodass \(0 \leqslant r < n\). Nämlich, \(r\) ist das Rest der Divsion mit Rest von \(a\) durch \(n\). Daher können wir \(\mathbb{Z} / n\mathbb{Z}\) mit \(\{0,\ 1,\ ...\ ,\ n-1\}\) als Menge identifizieren. Durch dieser Identifikation, sehen wir die kanonische Projektion an, als die Abbildung \(\text{mod}\ n : \mathbb{Z} \to \mathbb{Z} / n \mathbb{Z}\), die eine ganze Zahl \(a\) nach das Rest \(a\ \text{mod}\ n\) der Division mit Rest von \(a\) durch \(n\) abbildet.

  • Die Tatsache, dass diese kanonische Projektion ein Gruppenhomomorphismus ist, wird auf eine bereits bekannte Eigenschaft reduziert:

    \[(a + a')\ \text{mod}\ n = (a\ \text{mod}\ n) + (a'\ \text{mod}\ n)\ .\]

3.32 Übung 5

  1. Seien \(G\) eine endliche Gruppe und \(N\) eine normale Untergruppe von \(G\). Zeigen Sie, dass die Kardinalität von \(G/U\) gleich dem Index von \(N\) ist: \(|G/N| = [G :: N]\).
  2. Sei \(G\) die Symmetriegruppe eines Quadrats (oder eines Dreiecks etc). Zeigen Sie, dass die Untergruppe direkten Symmetrien Index \(2\) hat.
  3. Seien \(G\) eine Gruppe und \(U\) eine Untergruppe von \(G\). Zeigen Sie, dass \(U\) genau dann ein Normalteiler ist, wenn es eine Gruppe \(H\) und ein Gruppenhomomorphismus \(\varphi : G \to H\) existiert, sodass \(U = \text{Ker}\ \varphi\).
  4. Sei \(G\) eine Gruppe. Zeigen Sie, dass die triviale Untergruppe \(\{e_G\}\) ein Normalteiler von \(G\) ist, und dass die kanonische Prokjektion \(\pi_{\{e_G\}} : G \to G/\{e_G\}\) ein Gruppenisomorphismus ist.

3.33 Die universelle Eigenschaft der Faktorgruppen

Der Gruppenhomomorphismus \(\varphi\) faktorisiert durch \(N\).
  • Sei \(\varphi : G \to H\) ein Gruppenhomomorphismus. Sei \(N\) ein Normateiler von \(G\), sodass \(N \preccurlyeq \text{Ker}\ \varphi\) (das heißt, \(\forall\ n : G, n \in N \Rightarrow \varphi(n) = e_H\)). Zum Beispiel, kann \(N\) die volle Untergruppe \(\text{Ker}\ \varphi\) sein.

  • Wie immer, wird die kanonische Projektion \(G \to G/N\) als \(\pi_N\) bezeichnet.

    Satz. Existiert ein eindeutige Gruppenhomomorphismus \(\overline{\varphi} : G/N \to H\), sodass \(\varphi = \overline{\varphi} \circ \pi_N\).

3.34 Beweis der universelle Eigenschaft

  • Nehmen wir an, dass ein Gruppenhomomorphismus \(\overline{\varphi} : G/N \to H\) existiert, mit der Eigenschaft \(\varphi = \overline{\varphi} \circ \pi_N\). Dann, für jedes Element \(g : G\), gilt

    \[\overline{\varphi}(gN) = \overline{\varphi}(\pi_N(g)) = \varphi(g) \ .\]

    Da \(\pi_N\) surjektiv, ist ein solcher Homomorphismus \(\overline{\varphi}\) insbesondere eindeutig.

  • Wir müssen nun beweisen, dass \(\overline{\varphi} (gN) := \varphi(g)\) wohldefiniert und ein Gruppenhomomorphismus ist. Genauer gesagt, müssen wir zunächst Folgendes beweisen:

    \[ \forall\ t : G/N, \exists\, !\ h : H, \forall\ g : G,\ g \in \text{pr}_1(t)\Rightarrow \varphi(g) = h \ ,\]

    wobei \(\text{pr}_1\) die kanonische Abbildung \(\text{pr}_1 : G/N \to \text{Teil}(G)\) ist.

3.35 Die Abbildung ist wohldefiniert

  • Sei \(t : G/N\). Da die kanonische Projektion \(\pi_N : G \to G/N\) surjektiv ist, gibt es \(g_0 : G\), sodass \(t = \pi_N(g_0)\). Setzen wir dann \(h_0 := \varphi(g_0)\), für dieses \(g_0\).

  • Dann müssen wir noch die folgende Eigenschaft beweisen:

    \[ \forall\ g : G,\ g \in (g_0 N) \Rightarrow \varphi(g) = \varphi (g_0) \ . \]

    Dies folgt von der Tatsache, dass \(g_0^{-1} g \in N\) und \(N \preccurlyeq \text{Ker}\ \varphi\), also

    \[ \varphi(g) = \varphi(g_0 g_0^{-1} g) = \varphi(g_0) \varphi(g_0^{-1}g) = \varphi(g_0) e_H =\varphi(g_0) \ . \]

  • Insbesondere hängt das Element \(h_0\) nicht von der Wahl des Elements \(g_0\) ab, und ist durch die Eigenschaft \(\forall\ g : G,\ g \in \text{pr}_1(t)\Rightarrow \varphi(g) = h_0\) eindeutig definiert: Wenn \(h_1\) auch diese Eigenchaft hat, dann gilt \(h_1 = \varphi(g) = h_0\).

  • In der Praxis genügt es, die Eigenschaft \(\forall\ g : G,\ g \in (g_0 N) \Rightarrow \varphi(g) = \varphi (g_0)\) gilt zu zeigen.

3.36 Die Abbildung ist ein Gruppenhomomorphismus

  • Der letzte Schritt im Beweis besteht darin, Folgendes zu beweisen:

    \[ \forall\ t_1, t_2 : G/N,\ \overline{\varphi}(t_1 \star_{G/U} t_2) = \overline{\varphi}(t_1) \star_H \overline{\varphi}(t_2) \ .\]

  • Da \(\pi_N\) surjektiv ist, können wir annehmen, dass \(t_1 = g_1 N\) und \(t_2 = g_2 N\) sind, für bestimmte \(g_1, g_2 : G\). Dann gilt, durch direkte Berechnung:

    \[ \begin{array}{rcccccl} \overline{\varphi}(t_1 t_2) & = & \overline{\varphi} \big( (g_1 N) (g_2 N) \big) & = & \overline{\varphi} \big( (g_1 g_2) N \big) & = & \varphi(g_1 g_2) \\ & & & & & = & \varphi(g_1) \varphi(g_2) \\ & & & & & = & \overline{\varphi}(g_1 N)\overline{\varphi}(g_2N) \\ & & & && = & \overline{\varphi}(t_1)\overline{\varphi}(t_2) \ . \end{array} \]

3.37 Bild und Kern des induzierten Homomorphismus

Der Gruppenhomomorphismus \(\varphi\) faktorisiert durch \(N\).
  • In dieser Situation (die auftritt, wenn \(N \preccurlyeq \text{Ker}\ \varphi\) ist), gilt Folgendes:

    1. \(\text{Im}\ \overline{\varphi} = \text{Im}\ \varphi\) als Untergruppe von \(H\).
    2. \(\pi_N(\text{Ker}\ \varphi) \preccurlyeq \text{Ker}\ \overline{\varphi}\) und die Abbildung \(\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi} : \text{Ker}\ \varphi \to \text{Ker}\ \overline{\varphi}\) induziert ein Gruppenisomorphismus

    \[ \big( \text{Ker}\ \varphi \big) / N \ \simeq \ \text{Ker}\ \overline{\varphi} \ . \]

  • Insbesondere, wenn \(N = \text{Ker}\ \varphi\) ist, dann ist \(\overline{\varphi}\) injektiv! Oben ist es implizit, dass \(N \triangleleft\ \big(\text{Ker}\ \varphi \big)\). Dies folgt unmittelbar von der Tatsache, dass \(N \triangleleft\ G\) ist (Übung).

3.38 Bestimmung des Bildes und des Kerns

  • Das \(\text{Im}\ \overline{\varphi} = \text{Im}\ \varphi\), folgt von der Definition des Homomorphismus \(\overline{\varphi} (gN) := \varphi(g)\).

  • Von der Eigenschaft \(\varphi = \overline{\varphi} \circ \pi_N\), folgt außerdem, dass \(\pi_N(\text{Ker}\ \varphi) \preccurlyeq \text{Ker}\ \overline{\varphi}\) ist.

  • Betrachten wir nun den Gruppenhomomorphismus \(\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi} : \text{Ker}\ \varphi \to \text{Ker}\ \overline{\varphi}\), und wenden den Satz darauf an. Da \(N = \text{Ker}\ (\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi})\), gibt es einen induzierten Gruppenhomomorphismus \(\overline{\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi}} : (\text{Ker}\ \varphi) / N \to \text{Ker}\ \overline{\varphi}\).

  • Beweisen wir nun, dass dieser Gruppenhomomorphismus ein Gruppenisomorphismus ist:

    1. Sei \(g : G\), sodass \(\overline{\varphi}(gN) = e_H\) ist. Dann ist \(\varphi(g) = e_H\). Das heißt, \(g \in \text{Ker}\ \varphi\). Dies impliziert, dass \(\overline{\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi}}\) surjektiv ist.
    2. Sei \(g : G\), sodass \(\overline{\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi}} (gN) = e_{\text{Ker}\ \overline{\varphi}}\). Das heißt, \(gN = eN\). Dies zeigt, dass \(\overline{\pi_N|_{\text{Ker}\ \varphi}}\) injektiv ist.

3.39 Homomorphiesatz

  • Der vorherige Beweis war ziemlich kompliziert. Es braucht Zeit, um ihn voll zu verstanden 😅 .

  • Wichtig in der Praxis ist der folgende Sonderfall:

    Satz. Sei \(\varphi : G \to H\) ein Gruppenhomorphismus. Dann induziert der Gruppenhomomorphismus \(\overline{\varphi} : G / \text{Ker}\ \varphi \to H\) einen Gruppenisomomorphismus

    \[ G / \text{Ker}\ \varphi \simeq \text{Im}\ \varphi\ . \]

    Insbesondere, wenn \(\varphi\) surjektiv ist, dann ist \(\overline{\varphi}\) ein Gruppenisomorphismus

    \[G / \text{Ker}\ \varphi \simeq H\ .\]

3.40 Übung 6

Die kanonische Faktorisierung eines Gruppenhomomorphismus.

3.41 Übung 7

  • Sei \(\varphi : G \to H\) ein Gruppenhomomorphismus.

  • Zeigen Sie die folgende Eigenschaften:

    1. Wenn \(N \lhd H\), dann ist \(\varphi^{-1}(N) \lhd G\).
    2. Wenn \(N \lhd G\), dann ist \(\varphi(N) \lhd \text{Im}\ \varphi\).
    3. Wenn \(N \lhd G\), und \(\varphi\) surjektiv ist, dann ist \(\varphi(N) \lhd H\).

3.42 Durchschnitt normaler Untergruppen

  • Seien \(G\) eine Gruppe und \((N_i)_{i : I}\) eine Familie normaler Untergruppen von \(G\). Das heißt, für jedes \(i : I\), die Untergruppe \(N_i\) von \(G\) ist eine normale Untergruppe.

    Satz. Die (bereits definierte) Untergruppe \(\wedge_{i : I} N_i\) ist eine normale Untergruppe.

    Beweis. Bezeichnen wir mit \(A_i\) die zugrundeliegende Menge der Untergruppe \(U_i\). Per Konstruktion ist die zugrundeliegende Menge der Untergruppe \(\wedge_{i : I} N_i\) das Durschschnitt \(A := \cap_{i : I} A_i\). Es reicht deshalb zu beweisen, dass für alle \(a, g : G\),

    \[a \in A \Rightarrow g a g^{-1} \in A\ .\]

    Aber für alles \(h : G\), ist \(h \in A\) äquivalent zu \(\forall, i : I,\ h \in A_i\), und, da \(N_i\) eine normale Untergruppe ist, gibt es \(\forall\ i : I,\ g a g^{-1} \in A_i\). Damit ist der Beweis fertig 🎉.

3.43 Erzeugte normale Untergruppe: erste Konstruktion

  • Seien \(G\) eine Gruppe und \(E : \text{Teil}(A)\) eine Teilmenge von \(A\).

  • Betrachten wir die folgende Menge, die als Teilmenge von der Menge der Untergruppen von \(G\) definiert wird:

    \[ I:= \big\{ N : \text{Untergruppe}(G)\ /\ N \lhd G\ \wedge\ E \subseteq U \big\} \]

  • Dann können wir eine Familie \((N_i)_{i : I}\) wie zuvor definieren.

  • Nach dem vorherigen Satz, ist die Untergruppe

    \[ \left< E \right>_N := \wedge_{i : I} N_i \]

    eine normale Untergruppe. Diese Untergruppe wird die von der Teilmenge \(E\) erzeugte normale Untergruppe (oder erzeugte Normalteiler) gennant.

3.44 Übung 8

  • Sei \(G\) eine Gruppe und sei \(E\) eine Teilmenge von \(G\) (das heißt, eine Teilmenge von der zugrundeliegendemenge von \(G\)).

  • Zeigen Sie die folgende Eigenchaften:

    1. \(\left< E \right> \preccurlyeq \left< E \right>_N\). Das heißt, die von \(E\) erzeugte Untergruppe ist eine Untergruppe der von \(E\) erzeugten normalen Untergruppe.
    2. \(\left< E \right>_N\) ist die kleinste normale Untergruppe, die die Teilmenge \(E\) enthält.

3.45 Induktive Definition

  • Es gibt eine andere, explizitere Konstruktion der normalen Untergruppe \(\left< E \right>_N\). Nämlich, eine induktive Definition.
  • Die Definition ist Folgende. Für alle \(a : G\), um \(a \in \left< E \right>_N\) zu beweisen, genügt es eine der folgender Bedingungen zu überprüfen:
    • \(a = e\)
    • \(a \in E\).
    • \(a = a_1 a_2\), mit \(a_1 \in \left< E \right>_N\) und \(a_2 \in \left< E \right>_N\).
    • \(a = b^{-1}\), mit \(b \in \left< E \right>_N\).
    • \(a = g b g^{-1}\), mit \(b \in \left< E \right>_N\) und \(g : G\).

3.46 Erzeugte normale Untergruppe: zweite Konstruktion

  • Überprüfen wir, dass die Teilmenge \(\left< E \right>_N : \mathrm{Teil}(G)\) eine normale Untergruppe von \(G\) ist.
  • Es reicht dazu, die folgende Eigenschaften zu beweisen:
    • \(e \in \left< E \right>_N\).
    • \(\forall\ a_1, a_2 : G, a_1 \in \left< E \right>_N \wedge a_2 \in \left< E \right>_N \Rightarrow (a_1 a_2) \in \left< E \right>_N\).
    • \(\forall\ b : G, b \in \left< E \right>_N \Rightarrow b^{-1} \in \left< E \right>_N\).
    • \(\forall\ b : G\), \(b \in \left< E \right>_N \Rightarrow \forall\ g : G,\ g b g^{-1} \in \left< E \right>_N\).
  • Alle vier Eigenschaften folgen unmittelbar aus der Definition der Teilmenge \(\left< E \right>_N\).
  • Außerdem haben wir \(\forall\ a : G, a \in E \Rightarrow a \in \left< E \right>_N\), auch per Definition der Teilmenge \(\left< E \right>_N\).

3.47 Übung 9

  • Zeigen Sie, dass \(\left< E \right>_N\) die kleinste normale Untergruppe von \(G\) ist, die die Teilmenge \(E\) enthält.
  • Hinweis.
    • Um den Satz zu beweisen, reicht es Folgendes zu zeigen: Wenn \(N\) eine normale Untergruppe von \(G\) ist, die \(E\) enthält, dann ist \(\left< E \right>_N \subseteq N\). Das heißt, für jedes \(g : G\), \[ a \in \left< E \right>_N \Rightarrow a \in N. \]
    • Da die Eigenschaft \(a \in \left< E \right>_N\) induktiv definiert wurde, können wir die vorherige Implikation durch Induktion auf \(a\) beweisen.

3.48 Übung 10

  • Sei \(G\) eine Gruppe und seien \(U, V\) Untergruppen von \(G\). Wir haben bereits gesehen, dass die Vereinigung \(U \cup V\) im Allgemeinen keine Untergruppe von \(G\) ist, und dass die Teilmenge

    \[ P(U, V) := \{g : G\ /\ \exists\ u : U,\ \exists\ v : V,\ g = u \star v \} \]

    ein Erzeugendsystem für die Untergruppe \(UV := \left< U \cup V \right>\) ist. Das heißt, \(UV = \left< P(U, V) \right>\).

  • Zeigen Sie Folgendes:

    1. Wenn \(U \lhd G\) oder \(V \lhd G\), dann ist \(UV = P(U, V)\). Vergleichen Sie dies mit der Summe zweier Vektorunterräume in einem Vektorraum.
    2. Wenn \(U \lhd G\) und \(V \lhd G\), dann ist \(UV \lhd G\).